Traditionell halten die Vorsitzeneden der im Rat vertretenen Fraktionen Ihre Rede zum Haushalt. Unser Fraktionsvorsitzender Bernd Bedronka nimmt in diesem Jahr wie folgt Stellung :
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrter Herr Kämmerer,
liebe Kolleginnen und Kollegen des Rates,
ein früheres Ratsmitglied hat seine Haushaltsreden mal gekrönt mit: „Es ist schon alles gesagt worden, aber noch nicht von mir!“
Keine Sorge, ich werde das Vorgesagte nicht wiederholen, sondern aus der Sicht der SPD-Fraktion auf ausgesuchte Punkte hinweisen – teils skeptisch, teils kritisch aber auch teils lobend
Vorab: Andre Middelberg hat bei der Haushaltseinbringung versichert, dass die Daten und Beträge gewissenhaft ermittelt wurden. Das glauben wir zu 100% und bedanken uns hier erst einmal für das Arbeitspensum, die Akribie und die Sachlichkeit, die Sie und Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesen Haushaltsentwurf gesteckt haben.
Ein Haushaltsvolumen von knapp 38 Mio. allein im Ergebnishaushalt, eine nach aktueller Korrektur erwartete Überdeckung von ca. 500.000 Euro – das ist der quantitative Rahmen, in dem wir uns bewegen … den wir zu bewegen haben. Darin enthalten ist der Sondereffekt eines rein buchhalterischen Ertrages von 2,8 Mio wegen Corona. Hier fließt allerdings einerseits kein Geld tatsächlich und andererseits gibt es den Großteil dieser Summe auch nur, weil sich auch Ausgaben pandemiebedingt erhöht haben. Die Liquidität wird so gedrückt und der Kreditbetrag erhöht. Leider.
Viel interessanter sind da die immerhin 3,4 Mio Erträge aus Grundstücksvermarktung. Diese Summe kommt uns, kommt allen Grefrathern direkt zu Gute. Der Kämmerer hat dazu angemerkt, dass derartige Gewinne zukünftig nicht stetig erreichbar sein werden – umso wichtiger ist es da, es wenigstens zu versuchen! Ein weitgehendes Aufgeben der Vermarktungshoheit durch die Allgemeinheit zugunsten der rein privaten Gewinne einzelner wäre hier vollkommen fehl am Platze. Ganz konkret: Das Vorkaufsrecht der Gemeinde von Grundstücken, anschließende Baulandentwicklung und dann auch zielgerichtete Vermarktung muss schon allein aus diesem Grund erhalten bleiben!
Wenn wir uns nämlich die mittelfristige Finanzplanung genauer ansehen, dann steuern wir geradewegs in ein erneutes Haushaltssicherungskonzept – und das nach Aufzehrung der Ausgleichsrücklage schon in wenigen Jahren.
Die Frage, die sich also stellt: Wir nachhaltig sind die geplanten Investitionen? Was verdienen wir zurück durch Baumaßnahmen, durch Sanierungen und Verbesserungen? Wie kommen wir aus einer rein reaktiven Haltung (= is kaputt, muss ersetzt werden) zu einer proaktiven, zukunftssicheren und letztlich auch prospektiven Handlungsweise?
Dieser Haushalt ist grau mit nur sehr vereinzelten grünen und roten Sprenklern. Dieser Haushalt ist beton- und asphaltfarben. Grüne Umwelt, herzblutrotes Soziales und Kultur kommen nur am Rande vor.
Um so wichtiger sind diese Farbtupfer:
Einen Bart hat ja bereits die immer wieder erhobene SPD-Forderung nach der Abschaffung der unsäglichen Sportstättennutzungsgebühr. Wir sind ein bisschen erstaunt, aber vor allem sehr froh darüber, dass die CDU-Fraktion ihre bisherige Verhinderungshaltung aufgibt und uns nun zustimmt. Einerseits gratuliere ich zu diesem Erkenntnisgewinn – und andererseits werde ich deshalb nach erfolgter Beschlussfassung anlassbezogen meinen Bart rasieren.
Ich bin übrigens fest davon überzeugt, dass auch das Ressentiment gegenüber einer kleinen, aber so wichtigen Kulturförderung im Rahmen eines derartiges Erkenntniszugewinnes bald beendet sein wird. Alles auf einmal geht wohl nicht.
Grefrath ist bunt. In unserer Sport- und Freizeitgemeinde leben viele Nationen. Und sie leben friedlich miteinander, sie beeinflussen sich gegenseitig kulturell, sportlich, sozial oder sogar kulinarisch. Geflüchtete Menschen sind hier willkommen, wir alle sind offen und gastfreundlich, denn wir wissen, dass niemand seine Heimat einfach nur so verlässt. Diese Menschen haben oft unsägliches Leid erfahren, sind verfolgt, entwürdigt und mit dem Tod bedroht worden.
Ihnen im Alltag ganz konkrete und handfeste Unterstützung zukommen zu lassen, ihnen beim Erlernen der Sprache, bei der Kinderbetreuung, beim komplizierten Umgang mit Behörden, in Schule und Beruf zu helfen – das ist Sozialarbeit, wie sie von den dutzenden ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern nur durch die Zuarbeit und Ergänzung durch eine professionelle Fachkraft erbracht werden kann. Die Schaffung einer Personalstelle, die nicht mehr prekär und damit den aktuellen Windrichtungsänderungen unterworfen ist, wird von uns gefordert und die Einstellung im Stellenplan ausdrücklich begrüßt.
Diese hier beispielhaft genannten Farbflecke machen noch nicht einmal 100.000 Euro aus. Der Schwerpunkt zur Vermeidung einer zukünftigen Schieflage des Haushaltes muss also woanders gesucht werden.
Abschließend ziehe ich ein Fazit:
Wenn wir langfristig denken, dann liegt unsere Zukunft nicht in baulastigen Haushalten, sondern in der Hinwendung zu Lebensqualität, Generationengerechtigkeit und seelischer und körperlicher Gesundheit – für uns alle und vor allem für unsere Kinder.
Ich hoffe, dass dies alle hier im Raum erkennen und teilen und bedanke mich für Eure Geduld und Aufmerksamkeit.