Stellungnahme an alle Abgeordneten zum Landeshaushaltsentwurf 2024
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident, sehr geehrte Mitglieder des Landtags, mehr als 22.000 Menschen haben vor wenigen Tagen vor dem Landtag ein lautes Zeichen für eine auskömmliche Finanzierung der sozialen Arbeit in NRW gesetzt. Die Plenardebatte am 26.10.2023 hat allerdings deutlich gemacht, dass die Mitglieder der regierungstragenden Fraktionen die Zeichen einer der größten Demonstrationen in der Geschichte des Landes nicht hören wollen und ebenso verkennen, dass die Reduzierung von Öffnungszeiten, Schließung von Angeboten und drohende Insolvenzen bei gemeinnützigen Trägern bereits heute Realität ist. Das leise Sterben der sozialen Infrastruktur in NRW hat begonnen und offenkundig ist niemand bereit, dem entgegenzuwirken. Darum schreibe ich Ihnen mit der klaren Botschaft, dass die 22.000 Menschen, die sich vor dem Landtag für eine auskömmliche Finanzierung der sozialen Arbeit in NRW stark gemacht, nur ein Ausschnitt der Bevölkerung sind, denen die öffentliche Daseinsvorsorge am Herzen liegt: Auch ich bin auf verlässliche und hochwertige Bildung unserer Kinder in Kitas und Offenen Ganztagsschulen angewiesen. Ich kann es mir nicht leisten, monatelang nach einem Pflegeplatz für meine Eltern zu suchen, den niemand mehr finanzieren kann. Mir ist es nicht egal, wenn chronisch kranke Menschen oder Menschen mit Behinderung keinen Arbeits- oder Therapieplatz finden. Ich finde es unverantwortlich, dass Menschen ein halbes Jahr auf Schuldnerberatung warten, und halte es für inakzeptabel, dass Familien-, Sexual- und Migrationsberatungen eingestellt werden müssen. Wenn die ausreichend vorhandenen finanziellen Mittel in diesem Land richtig verteilt und eingesetzt würden, müsste ich mir um die Zukunft unserer Daseinsvorsorge keine Sorgen machen. Es macht mich fassungslos, wenn Mitglieder des Landtags verkünden, das Land hätte die Tarifsteigerungen bei den Freien Trägern nicht verhandelt und sehe daher keine Veranlassung, die Gehaltssteigerungen zu kompensieren. Ist es tatsächlich egal, was Mitarbeitende verdienen, die eine Säule unseres Sozialstaates stützen oder erbringen diese Dienstleistungen zweiter Klasse, die nicht mit kommunalen oder Landes-Bediensteten zu vergleichen sind? Einst hatte das Land Nordrhein-Westfalen den Ruf, das soziale Gewissen der Republik zu sein. Wenn sich NRW aber dieser Verantwortung nicht mehr stellt, sondern mit den Fingern auf Bund und Kommunen zeigt, nimmt es seine Verantwortung gegenüber seinen über 18 Millionen Einwohner*innen nicht mehr wahr. Es liegt nun in Ihrer Hand, ob die 18. Legislaturperiode als Totengräber der öffentlichen Daseinsvorsorge in die Landesgeschichte eingehen wird. Nur Sie als Abgeordnete können dafür sorgen, dass das erste schwarz-grüne Kabinett nicht die soziale Infrastruktur in NRW auf dem Gewissen hat. Steuern Sie nach! Lassen Sie sich das soziale NRW etwas wert sein.
Mit freundlichen Grüßen___________________________________________________