Es gilt das gesprochene Wort 28.03.2023
Haushaltsrede
Bernd Bedronka
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrter Herr Kämmerer,
unsere Haushaltsberatungen in diesem Jahr waren ehrlich gesagt etwas holperig. Dass ausführliche Erläuterungen im Entwurf fehlen, sind wir ja gewohnt. Jetzt fehlen aber auch noch Seitenzahlen und das macht das Blättern ein bisschen umständlich. Andre Middelberg ist dann leider auch noch erkrankt, stand aber dennoch zumindest schriftlich für Rückfragen zur Verfügung. Das trotz des auch noch zu bewältigenden Personalwechsels ein Haushalt entstanden ist, der sachlich und fundiert – und vor allem lückenlos – unsere Finanzsituation abbildet, dafür möchten wir ein großes Lob aussprechen.
Bei der Einbringung des Haushaltes für das Jahr 2023 hat Kämmerer Andre Middelberg 2 Dinge betont:
- Es handelt sich um einen im betriebswirtschaftlichen Sinne konservativen Haushalt ohne große Sperenzkes.
- Das Ergebnis führt uns dennoch unweigerlich in Kürze in ein Haushaltssicherungskonzept.
Allerdings hatte er den Punkt 2 bereits bei der Einbringung des letztjährigen Haushaltes erwähnt und wir haben diese ja durchaus düstere Zukunftsaussicht schon vor 1 Jahr in unseren Haushaltsberatungen hier im Rat diskutiert. Aber nicht berücksichtigt!
Wir Sozialdemokraten haben seinerzeit u.a. die Frage gestellt, wie nachhaltig die geplanten Investitionen sind? Was verdienen wir zurück durch Baumaßnahmen, durch Sanierungen und Verbesserungen? Wie kommen wir zu einer proaktiven, zukunftssicheren und letztlich auch prospektiven Handlungsweise?
Die Antwort, meine sehr geehrten Damen und Herren, steht immer noch aus.
Die diesjährige Haushaltssatzung sieht Ausgaben von gut 38 Mio. Euro vor. Dem stehen Einnahmen in Höhe von knapp 37 Mio. Euro gegenüber. Bezieht man die Veränderungsliste- eigentlich eine Verschlechterungsliste um 260 Tausend Euro – mit ein, so entsteht bereits planerisch ein Defizit von 1,4 Mio. Euro, das noch so eben aus der Ausgleichsrücklage beglichen werden kann. Ich betone: Noch so eben!
Nach den zurückliegenden Coronajahren, die einerseits zu erhöhten Ausgaben geführt haben, andererseits jedoch auch durch Einsparungen und vor allem Sonderzuweisungen durch Land und Bund geprägt waren, hat uns jetzt der russische Überfall auf die Ukraine erheblich höhere Energie- und Heizkosten beschert. Lassen Sie mich jedoch an dieser Stelle eines klarstellen: Gestiegene Lebenshaltungskosten hier in Deutschland sind nicht schön, für viele Bürgerinnen und Bürger sicher auch dramatisch. Aber wirklich Leiden tut das ukrainische Volk, dass Tag für Tag den völkerrechtswidrigen Angriffen des russischen Diktators Putin ausgesetzt ist und Nacht für Nacht um sein Leben bangt.
Zurück zu uns nach Grefrath.
Dieser Haushalt ist schon wieder geprägt von Baumaßnahmen. Und die sind im Investitionsteil verankert. Dort scheint es so, als wenn sie – im Gegensatz zum konsumtiven Teil – keine großen Kosten verursachen. Aber das ist selbstverständlich falsch: Einmal ausgegebenes Geld muss durch Abschreibungen in den kommenden Jahren eben wieder hereinkommen. Also sind nicht nur bereits bestehende Schulden, sondern auch derartige Investitionsmaßnahmen ein Erbe, dass wir den nachfolgenden Generationen hinterlassen, denn die müssen sie abzahlen. Es gibt Investitionen, die sich direkt rechnen – z.B. die Kanäle. Es gibt Investitionen, die sich indirekt rechnen – z.B. Schulen, Klimamaßnahmen und Sportanlagen. Und es gibt Investitionen, die sich niemals rechnen – z.B. neue Rathäuser. Beim letzteren bezieht sich die Notwendigkeit eben nicht auf betriebswirtschaftliche Wertschöpfungszahlen, sondern auf gesellschaftliche, bürgerschaftliche Gründe.
Wir hinterlassen alleine für den Rathausneubau jedem Grefrather Bürger und jeder Grefrather Bürgerin – egal welchen Alters – einen voraus-sichtlichen Schuldenberg von mindestens 1.000 Euro.
Unausweichlich ist dagegen die Investition in Klimafolgenanpassung, Klimaschutz und Biodiversität. Es reicht nicht aus, mal hier mal da (versteckt in vielen unterschiedlichen Haushaltspositionen, die leider nicht konkret erläutert sind) ein paar Euro einzusetzen. Daher ist der – ich nenne es mal – „Leitantrag“ von Bündnis90/Die Grünen schon aus einem Grunde wichtig: Er bietet der Politik Mitbestimmung über die konkrete Verwendung. Und auch der Wunsch der SPD nach Erstellung eines Grünplanes und Schutz der Artenvielfalt geht in exakt die gleiche Richtung: Politische und öffentliche Mitwirkung beim Erhalt unserer Umwelt für nachkommende Generationen!
Im Gegensatz zu vielen anderen Haushaltspositionen ist der hier gewählte Betrag nun wirklich marginal. Er ist aber wichtig, damit unterjährige Projekte nicht mit der Begründung abgelehnt werden können: „Kein Geld im Haushalt!“
Und wer will schon wirklich die Notwendigkeit von Kultur und Sport bestreiten? Wer will schon wirklich den Namen unserer schönen „Sport- und Freizeitgemeinde“ aushöhlen?
Aufwertung und Aktualisierung des Bestandes an Büchern und Medien für die beiden Büchereien zur Bildungs- und Kulturunterstützung…
ein gebeutelter Sportverein, der corona- und feuerbedingt eines einmaligen Zuschusses bedarf…
ein kleiner Topf für die großen, rein ehrenamtlichen Aktivitäten der Kulturschaffenden, die uns allen zu Gute kommen…
… sind eindeutig notwendige Ausgaben, denn sie machen – mehr als jeder Ziegelstein und alle Bagger – unsere Gemeinde … einfach lebenswert.
Dazu kann und soll auch der Stärkungspakt NRW – Gemeinsam gegen Armut beitragen, aus dem Grefrath immerhin 48 Tausend Euro erhält.
Nicht aufgefunden haben wir die für dieses Jahr avisierten 321 Tausend Euro Landesmittel zur Milderung der Coronaauswirkungen. Und ebenfalls unsichtbar sind bisher Zuschüsse aus dem Bundesprogramm „Zukunftspaket für Bewegung, Kultur und Gesellschaft“.
Hier stehen noch Erläuterungen aus.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
alle in diesem Raum sind sich der Dramatik unseres Haushaltes bewusst. Wer mit dem Finger auf andere zeigt und sie als Verschwender tituliert, zeigt mit den anderen 4 Fingern immer auf sich selbst.
Keiner hier im Rat geht unverantwortlich mit unseren finanziellen Ressourcen um. Es ist schließlich das Geld der Bürgerinnen und Bürger, auch unser eigenes Geld, über dessen Verwendung wir hier zu beschließen haben. Nur über die Notwendigkeit streiten wir uns – und das ist gut so! Demokratie funktioniert nicht ohne Auseinandersetzung. Vielfältigkeit kommt in kontroversen Meinungsäußerungen zum Tragen. Kompromisse sind letztendlich ein Ergebnis demokratischer Prozesse und vielfältiger Beteiligungen.
Fast schon bescheiden sind da die eingebrachten Anträge aus dem politischen Raum – insgesamt 100 bis 150 Tausend Euro für Umwelt, Kultur und Sport. Die Notwendigkeit steht für mich dabei außer Frage.
Wir sind von den Bürgern gewählt, um ihre Interessen zu vertreten. Das gleiche gilt für den Bürgermeister in seiner Rolle als erster Bürger. Es gilt auch – jedoch nicht im gleichen Maße – für die Verwaltung und den Verwaltungschef.
Deswegen haben wir dieses System: Die Politik entscheidet, die Verwaltung führt aus. Die Verwaltung stellt Sachverstand zur Verfügung, die Politik schätzt die Lage ein. Den Hut haben die Bürgerinnen und Bürger auf – niemand sonst.
Ich möchte schließen mit einer Bemerkung, die ich bereits vor einem Jahr gemacht habe und die angesichts eines drohenden Haushaltssicherungskonzeptes auch und gerade heute aktuell bleibt:
Wenn wir langfristig denken, dann liegt unsere Zukunft nicht in baulastigen Haushalten, sondern in der Hinwendung zu Lebensqualität, Generationen-gerechtigkeit und seelischer und körperlicher Gesundheit – für uns alle und vor allem für unsere Kinder
Vergessen wir bei allen Steinen den Menschen nicht!
In diesem Sinne
Glückauf und Danke für Eure Geduld