Soziale Fragen in der Klimakrise

20.06.2022

Die Pandemie beschert uns die „Sommerwelle“, durch den Krieg wird das Gas knapp, und das Klima sorgt für kaum erträgliche Hitze, für Dürre, ausgetrocknete Wälder, Brände, Wasserknappheit, und wenn es das Wetter so will, auch für Starkregen.

Wir erleben es gerade hautnah: Der Klimawandel beschleunigt sich. Die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen wird spürbarer. Überrascht kann eigentlich keiner darüber sein. Dazu kommt eine stark wachsende Weltbevölkerung, die ernährt werden muss. Aber bekommen wirklich alle diesen beschleunigten Klimawandel mit? Das Tückische ist, dass wir ihn nicht überall konkret wahrnehmen, und Veränderungen wie Anstieg des Meeresspiegels oder Wasserknappheit ganz plötzlich eine Stufe erreicht haben können, an der man sie nicht mehr aufhalten kann. Wir werden erst aufgeweckt, wenn es zum Einschreiten zu spät ist.

Wie kommen wir damit klar? Reichen Kohleausstieg und Energiewende aus, wenn wir die notwendigen Senkungen der Treibhausgasemissionen hinbekommen wollen? Und welche sozialen Fragen ergeben sich aus der Klimakrise, oder sollten wir nicht schon besser von Klimakatastrophe sprechen?

Dieses Jahr stehen die sozialen Themen in der Rangliste der „Vergessenen Nachrichten“ ganz oben. Doch „niemand dürfe bei der grünen Umstellung zurückgelassen werden“, sagte kürzlich Andersson, Schwedens Ministerpräsidentin, einleitend auf der UN-Konferenz (2.- 3.Juni 2022) in Stockholm.

Die soziale Frage im Handlungsfeld Klimaschutz und Klimaanpassung wird zukünftig eine große Rolle spielen. Dabei muss man differenzieren zwischen den sozialen Problemen, die klimabedingt auftreten, solchen, die durch Klimaschutzmaßnahmen erst hervorgerufen werden und denen, die man bei Abwendung der Folgeschäden berücksichtigen muss. Nicht alle Menschen werden im gleichen Ausmaß belastet werden. Immer werden es die Ärmeren sein, die am allermeisten leiden werden.  

Einige wenige Beispiele:

Thema Ernährung. Wir hören in den Nachrichten, dass manche Tafeln im Land, die gespendete Lebensmittel an Bedürftige ausgeben, keine neuen Menschen mehr aufnehmen können, weil nicht mehr so viel gespendet wird und der Andrang zu groß geworden sei.

Es gibt immer mehr Menschen, die sich nicht mehr ausreichend von ihrem Geld ernähren können, denn höhere Energiekosten führen auch bei Lebensmitteln zu Preiserhöhungen. Diese höheren Energiekosten waren schon vor dem Ukraine-Krieg wegen der Klimamaßnahmen höher veranschlagt. Diese Situation wurde aber durch den Krieg noch verschärft. Zukünftig wird es auch Forderungen nach weniger Fleisch- und Milchproduktion geben, und damit wird es zu weiteren Preissteigerungen auch für diese Produkte kommen.

Soziale Ungerechtigkeit wird es ebenso beim Thema Hitze geben. Ältere, chronisch Kranke, Kleinkinder, draußen Arbeitende und Obdachlose sind vor allem betroffen. Wohlhabendere können ihren Wohnraum leichter gegen Hitzeeinwirkung schützen oder sich eine Klimaanlage leisten, wobei letzteres kontraproduktiv ist, da Klimaanlagen viel Energie verbrauchen und die Hitze nach draußen befördern, die dann draußen die anderen umso mehr belastet.

Auch bei der Ressource Wasser ist der soziale Aspekt einer gerechten Zuteilung zu bewältigen. Sogar in Deutschland kann das Wasser knapp werden. Bei extremem Wetter kann sehr viel Regen in kurzer Zeit fallen oder wochenlang gar keiner. Bei Starkregen nimmt ausgetrockneter Boden aber kein Wasser mehr auf. Es läuft in die Kanalisation und sickert nicht in den Boden. Der Grundwasserspiegel sinkt. Es kommt zu Wassermangel.

Der Streit ums Wasser, der jetzt schon bei den Gerichten sichtbar ist, kann sich verschärfen. Große Konzerne wie z.B. RWE verbrauchen Unmengen an Wasser, zahlen aber nicht im gleichen Verhältnis dafür wie wir Privatleute. Zudem ist das Problem in Deutschland, dass bei Wasserknappheit nicht klar ist, wer Vorrang hat, so wie es bei der Gasversorgung die Bundesnetzagentur regelt.

Folglich muss sich Klimapolitik den sozialen Fragen widmen. Dadurch wird die Bewältigung der Klimakrise jedoch immer komplexer.

Zuerst sollte man aber auf die Verursacher der Klimakrise schauen. Es gibt einzelne Menschen, Unternehmen, Einrichtungen, deren CO2-Ausstoß sehr hoch ist, während andere einen viel geringeren CO2-Ausstoß aufweisen. Bei den Einzelpersonen gibt es einen Teil, der es sich leisten kann und nicht gewillt ist, sein Verhalten zu ändern, auch weil er glaubt, dass er finanziell in der Lage ist, sich vor den schädlichen Folgen gut zu schützen, was viele andere der Ärmeren nicht können. Manche Unternehmen denken da wohl vornehmlich an ihre Rendite und scheuen die Kosten für eine Umstellung.

Im Umkehrschluss folgt daraus, dass die, die am wenigsten Geld haben und dadurch weniger CO2 ausstoßen können, auch nur mit einem geringeren Anteil an den Kosten der Maßnahmen für den Klimaschutz und der Klimaanpassung beteiligt werden dürfen.

Bei der Klimapolitik muss man deshalb berücksichtigen, dass auch ärmere Menschen sich eine gesunde Ernährung leisten können, und daher sollten sie ausreichend unterstützt werden.

Auch den Bauern z.B., die ihre Tierbestände reduzieren oder Brachflächen schaffen sollen, ist eine Subvention nicht nach der Fläche, sondern für diejenigen zu zahlen, die auf eine ökologische Bewirtschaftung und Tierhaltung umstellen.

Klimapolitik in den Kommunen muss sich mit der Umsetzung von Hitzevorsorge befassen, z.B. mit viel mehr schattenspendendem Grün in kleinen Parks, damit Kühleffekte erreicht werden. Und der Gesetzgeber hat die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, damit in den Gremien der Kommunen Hitzeschutzaktionspläne beschlossen werden können. Auch hier müssen diejenigen im Fokus stehen, deren Budget nur gering ist und die der Hilfe bedürfen.

Klimapolitik muss sich schneller um eine gerechte Verteilung von Wasser kümmern. Es gibt zwar eine „Nationale Wasserstrategie“, aber die wird von 2030 an umgesetzt, und erst dann wird an der Einführung einer gerechten Verteilung gearbeitet. An dieser Stelle wird deutlich, wie ernüchternd der Blick ist auf das, was an Klimaschutzmaßnahmen bei uns passiert.

Was können wir in Grefrath tun?

Leider gibt es keine Daten explizit für die soziale Lage in Grefrath. Es gibt lediglich einen Sozialbericht für den gesamten Kreis. Aber da der aus dem Jahre 2014 stammt, sind die Daten nur wenig aussagekräftig.

Der Sozialbericht NRW immerhin ist aus 2020. Er berücksichtigt die Entwicklungen, die sich aus den Corona-Maßnahmen ergeben haben. Rückschlüsse auf Grefrath können allerdings nur bedingt gelten, da sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt durch Corona wieder geändert hat.

Dass der Anteil der älteren Bevölkerung in Grefrath sehr hoch ist, besonders der Anteil der über 65jährigen, wie der Kreis es dargestellt hat, ist sicher noch so.

Die coronabedingte Situation auf dem Arbeitsmarkt mit Auswirkungen auf das Einkommen durch Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit und Gehaltseinbußen wird wohl so nicht mehr bestehen. Dafür wird es jetzt vermutlich Einkommenseinbußen wegen des Krieges in der Ukraine geben. Laut Kreis war der Anteil der Menschen mit Grundsicherung in Grefrath nicht so hoch, aber da er im Bundesdurchschnitt gestiegen ist, wird Grefrath auch da nicht außen vor sein.

Zur Bewältigung der Klimakrise werden wir uns auch in unserer Gemeinde Gedanken machen müssen und dürfen dabei die sozialen Probleme nicht außer Acht lassen:

Wie werden wir hier mit den Folgen der Hitze fertig angesichts unserer überalterten Kommune? Was können wir speziell für den Anteil der alten Bevölkerung tun, die nicht in Einrichtungen lebt, sondern für diejenigen, die allein leben, um die sich niemand kümmert?

Wie unterstützen wir die Menschen mit so viel weniger Geld im Portemonnaie, dass sie sich dennoch gut ernähren können?

Für diese beiden Bereiche gilt, dass nicht immer Verwaltung und Politik alles richten können.

Aber es ist ihre Aufgabe, für alle mögliche Unterstützung zu sorgen.

An allererster Stelle sind da der Klimaschutz und die Klimaanpassung voranzutreiben, damit nicht durch die Erderwärmung bestimmte Bevölkerungsteile mehr leiden als andere. Am besten partizipativ: d.h. Verwaltung, Politik und Bürgerschaft arbeiten gemeinsam daran. Es muss dabei eben um sozial gerechte Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen gehen, so dass bei der Umstellung niemand zurückgelassen wird.

Beim Thema Wasserknappheit sieht es mit der Bewältigung der Problematik etwas anders aus. Den größten Flächenanteil auf Gemeindegebiet machen die landwirtschaftlich genutzten Flächen aus. Droht Wasserknappheit, werden die Bauern Wasser aus ihren Brunnen zur Bewässerung der Felder entnehmen müssen. Bei sinkendem Grundwasserspiegel wird das ein Problem. Hier ist der Gesetzgeber gefordert, eine schnellere Lösung für die Verteilungsfrage zu finden als erst 2030 anzufangen, sie zu bearbeiten.

Wenn es stimmt, dass Menschen am ehesten Veränderungen zustimmen, wenn sie ganz   konkrete Erfahrungen machen wie z.B. bei der Ahrtalkatastrophe, dann bräuchte es eine neuerliche Katastrophe als Weckruf zu mehr Handeln, weil wir so schnell vergessen. Ich hoffe, wir werden ohne eine solche Katastrophe einsichtiger.

Wir müssen diese Veränderungen aber möglichst bald hinbekommen, denn sonst werden alle unsere weiteren Planungen nicht mehr zu der sich durch das Klima rasant verändernden Welt passen.

Doris Friemelt