02. 11. 2022 Am 28. Oktober hat Bundespräsident Walter Steinmeier in seiner Rede erwähnt, dass die Aufmerksamkeit für den Klimawandel ins Hintertreffen gerate. Der Klimawandel legt aber wegen des Krieges und der damit zusammenhängenden Energiekrise keine Pause ein. „Wenn wir nicht in der Lage sind, die gegenwärtigen Klimatrends umzukehren, werden wir dem Untergang geweiht sein“, sagte Antonio Guterres, Generalsekretär der UN am 26.10.2022 auf BBC World Service.
Genau diesem Thema der Klimakrise und ihrer Folgen muss sich die breite Öffentlichkeit verstärkter zuwenden, denn unsere Freiheit und unser Leben wird erheblich durch die unvermeidlichen Folgen dieser Krise eingeschränkt werden, wenn so wenig wie bisher getan wird.
Wir müssen die Frage stellen: Warum wird zu wenig getan in Sachen Klimaschutz und Klimaanpassung?
Bisher hieß es in der Klimakommunikation, möglichst wenig alarmistisch zu klingen. Zu drastische Ausdrücke würden die Menschen verschrecken. Sie würden sich abwenden und nicht mehr weiterlesen oder weiter zuhören. Aber hat man damit etwas erreicht zur Verbesserung des Klimaschutzes? Sind die Fakten, die die Wissenschaft zusammengetragen hat und die auch einige Journalisten verbreiten zu den Ohren der Politiker und zu den Ohren der vielen Menschen im Land gelangt? Wenn dem so wäre, müssten wir doch schon viel weiter sein.
Stattdessen sinken die CO2 -Emissionen nicht, sie steigen immer noch. Offensichtlich war diese Klimakommunikation bisher nicht wirklich zielführend. Dabei gibt es so viele Nachrichten zur Faktenlage, die immer wieder an die sich verändernden Daten angepasst wird.
Die durchaus verheerenden Folgen für Deutschland bei Nichthandeln kann man sehr gut in einem Buch von Nick Reimer und Thoralf Staud nachlesen (Titel: Deutschland 2050).
Wir können definitiv davon ausgehen, dass sich die Erde weiter erwärmen wird, da aktuell überall zu wenig im Kampf gegen die Klimakrise getan wird. Deutschland liegt mit einer Erwärmung von 1,6° gegenüber der vorindustriellen Zeit gegenwärtig über dem globalen Mittel von 1,1°. Auf dem Extremwetterkongress in Hamburg hat der Deutsche Wetterdienst (DWD) ein Faktenpapier vorgestellt.
Danach ist die Erderwärmung unaufhaltbar, und das Tempo des Temperaturanstiegs nimmt zu. Jedes Jahrzehnt seit 1962 war immer wärmer als das vorherige.
Das letzte Jahrzehnt von 2012 -2021 war 2° wärmer als im Referenzzeitraum 1881 – 1910.
Es wird bei ungebremstem CO2-Ausstoß bis 2060 in Norddeutschland mit einer Zunahme von 5-10 Tagen über 30°gerechnet und in Süddeutschland mit 10-20 Tagen. Zum Vergleich: In den 50er Jahren gab es im bundesweiten Mittel 3,5 heiße Tage.
Um das im Pariser Klimaabkommen vereinbarte Ziel zu erreichen, dürften wir noch 400 Gigatonnen CO2 ausstoßen. Dieses Restbudget wäre in 10 Jahren aufgebraucht.
Bei der aktuellen Politik wird in 10 Jahren die 1,5° Grenze aber überschritten sein. Wir wären dann bei einer Erwärmung um 3°. Da CO2 sehr lange in der Atmosphäre verbleibt, wird die Erwärmung sehr lange weiterbestehen.
Aufmerksamkeit erlangten auch die Erkenntnisse einer neuen Studie der ETH Zürich, die im Namen der World Weather Attribution Group (WWA) unter Leitung von Sonia Severinatre durchgeführt wurde. Sie zeigt den Einfluss des Klimas auf die extreme Dürre dieses Sommers.
Die Forscher nahmen sich besonders unsere Region (West- und Mitteleuropa) vor, wo die Trockenheit diesen Sommer zu gravierenden Folgen führte.
Das Ergebnis fällt ernüchternd aus, denn wir werden mit noch stärkeren und häufigeren Sommerdürren zu rechnen haben. Das betrifft Bodenfeuchte-Dürre bis in die Wurzelzone nach einer regenlosen Zeit mit hoher Verdunstung wegen der Hitze. In unserer Region ist die Wahrscheinlichkeit um das 3 bis 4-fache gestiegen. Die Studie wurde am 07.10.2022 beim Informationsdienst Wissenschaft veröffentlicht, und es wurde darüber in vielen Medien berichtet.
Schon im August meldete die Europäische Dürrebeobachtungsstelle, dass die Trockenheit auf 20% der Fläche Europas alarmierend sei. Und auf dem Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig sieht man, dass in unserer Region noch immer bis in 1,80 m Tiefe außergewöhnliche Trockenheit trotz des Regens der letzten Zeit herrscht.
Sonia Severinatre, die die Studie der ETH Zürich leitete, forscht schon seit 30 Jahren an dem Problem. Ihre Forschungsergebnisse zeigen, dass es eine allgemeine Tendenz zur Austrocknung der Landflächen bei uns in den mittleren Breiten gibt. Ursache ist nicht die Abnahme der Niederschläge, sondern die hohe Verdunstung durch die Erderwärmung. Höhere Temperaturen und eine stärkere Einstrahlung trocknen die Böden aus und beschleunigen den Wasserfluss in die Atmosphäre. Die Pflanzen saugen infolge der längeren Vegetationsperiode mehr Wasser aus dem Boden. Und fällt Starkregen, fließt das Wasser in die Bäche und Flüsse ab, statt in den Boden zu sickern und neues Grundwasser zu bilden.
Die fatalen Folgen aus den Ergebnissen des Papiers des DWD und der Studie der ETH Zürich werden Ernteausfälle, höhere Lebensmittelpreise, sinkende Wasserstände der Flüsse und ein Absinken des Grundwasserspiegels sein. Durch den Verlust der Bodenfeuchte geht auch der kühlende Effekt auf die Biosphäre verloren, und das Land heizt sich noch stärker auf.
Der vorauszusehende Wassermangel wird laut Bundesumweltministerin Steffi Lemke unterschätzt. Eine Umfrage von „report München“ und dem Magazin „Kommunal“ ergab, dass diesen Sommer die Hälfte der Kommunen Wasserknappheit gemeldet haben.
Sehr problematisch bei dieser Faktenlage ist, dass 72% der Wasserentnahme an die Industrie geht. Einige Länder planen daher Novellierungen des Wasserrechts. NRW hat allerdings keine Absicht, die aktuellen Regelungen für die Industrie zu ändern. Und auch der Bund sieht keine Notwendigkeit, im Rahmen der neuen Wasserstrategie die Industrie zu weiteren Maßnahmen zu verpflichten.
Zu dieser Faktenlage kommen jetzt vor der Tagung des Weltklimarates, der vom 06.-18. November in Sharm El Sheikh zusammentritt, neue Berichte der drei wichtigen UN-Agenturen hinzu.
Nach dem GAP-Report 2022 von der UN-Umweltbehörde werden die für 2030 prognostizierten Emissionen nicht eingehalten, da die meisten Länder wie auch Deutschland die Klimaziele verfehlt haben. Das bedeutet, dass mit einer Erwärmung auf bis zu 2,8° bis zum Ende des Jahrhunderts schon die Klimakipppunkte überschritten werden könnten.
Die Meteorologiebehörde der UN berichtet von einem alarmierenden Anstieg der Methanemissionen, beide Ergebnisse mit katastrophalen Folgen.
Die Internationale Energie Agentur (IEA) kann sich allerdings eine Chance zu Verhinderung des Schlimmsten vorstellen, was sich aus den Energieeinsparungen ergibt, die der Krieg in der Ukraine ausgelöst hat.
Wenn diese Chance aber vertan wird, sind wir aufgrund der Fakten auf dem besten Weg in die „Klimakatastrophe“. Und dennoch ist die Politik ständig um die Wirtschaft bemüht, um unseren Lebensstil, so wie er ist, zu erhalten. Reinhard Steurer, Professor für Klimapolitik an der Universität für Bodenkultur in Wien sieht uns, wenn wir den Kurs zu 2 Grad oder 3 Grad Erwärmung in diesem Jahrhundert nicht stoppen, dann eher fragen, wie es um den Fortbestand unserer Zivilisation bestellt sei.
Dieses „Weiter so“ allein um der wirtschaftlichen Belange willen wird den kommenden Generationen eine Erde hinterlassen, auf der es sich schlechter leben lässt, als wir es uns vorstellen können. Wir müssen uns deshalb Gedanken machen, ob die Priorität von Wirtschaft, Wachstum und Wohlstand die alleinigen Kriterien für unser Leben sein müssen.
Auf jeden Fall sind wir gefordert, alles zu tun, was zu Klimaschutz und Klimaanpassung möglich ist, denn jede Tonne CO2-Einsparung zählt und jede Maßnahme für Anpassung bewahrt uns vor höheren Kosten durch die Schäden, die durch die häufigeren und stärkeren Extremwetterereignisse eintreten werden.
Welche Anstrengungen zu Klimaschutz und Klimaanpassung hat sich Grefrath in dieser prekären Lage vorgenommen?
Gerade ist die Frist für die Beantragung der Gründachförderung verlängert worden. Das ist ein guter Schritt für den Klimaschutz und auch für die Anpassung.
150 Grefrather Bürger haben sich für einen Baumgutschein angemeldet. Super! Vor allem für das Mikroklima und die Biodiversität.
In allen Neubaugebieten wird gemäß Baugesetzbuch etwas für Regenwasserversickerung und zur Hitzeminimierung getan. Entspricht der Gesetzeslage.
Neben den drei bestehenden Ladesäulen in Alt-Grefrath für E-Mobilität soll es bald weitere geben, für jeden weiteren Ortsteil eine dazu. Das ist wichtig, wenn wir weg von fossilen Brennstoffen kommen wollen.
Auf dem Markt im Grefrather Ortskern sind Verschönerungsaktionen mit Hilfe von Fördermitteln geplant. Eine Verkehrsberuhigung ist schon erfolgt, damit zukünftig auch ein Verweilen ohne Verkehrsbelästigung möglich ist. Die Sitzgelegenheiten sind in Arbeit. Und die Skizze des Planungsbüros Dunkel zeigt die nötige vorgesehene Schattierung. Das ist gut für einen hitzeresilienten Platz.
Dazu passt der neue Trinkbrunnen als Hitzeschutzaktion ausgezeichnet.
Dies alles sind sehr gute einzelne Maßnahmen, die die Lebensqualität in Grefrath verbessern und ihren Teil zu Klimaschutz und Klimaanpassung beitragen. Aber es sollte uns nicht darüber hinwegtäuschen, dass wesentlich mehr notwendig wäre. Und geht da nicht noch mehr?
Durch die Gründachförderung sollte der Kommune nicht der Druck genommen worden sein, mehr zu tun, denn jede Kilowattstunde zählt.
Bei der Aktion mit den Baumgutscheinen handelt es sich um Bäume in Privatgärten, die wahrscheinlich eh gepflanzt worden wären. Wo bleibt das stärkere Engagement der Kommune für mehr öffentliches Grün als Vorbildfunktion?
Hinsichtlich der Ladesäulen werden zukünftig weniger Autos mit Verbrenner-Motoren unterwegs sein, da wäre die Planung für ein Netz von öffentlichen Ladesäulen schon jetzt sinnvoll.
Und was das Verweilen auf Plätzen angeht, da hätten sich Oedter Bürger zur angenehmeren Aufenthaltsqualität auf ihrem neuen Marktplatz auch mehr schattierendes Grün gewünscht.
Leider ist diesen Sommer im Auffeld ein Problem mit der Trinkwasserversorgung aufgetaucht. Aufgrund der langen Trockenheit ist ein Trinkwasserbrunnen versiegt. Hier sollte die Kommune überlegen, ob Biogasanlagen, die ihre Energie mit Mais produzieren, der in trockenen Sommern ständig bewässert werden muss, die angemessene Energiequelle ist.
Vor allem jedoch bedarf es endlich der Einrichtung einer „Stabstelle Klimabüro“, angesiedelt im Bürgermeisteramt, das diese Arbeit gemeinsam mit den Bürgern, der Politik und den Ressorts der Verwaltung in Angriff nimmt und die zukünftigen Maßnahmen nach einem Plan koordiniert. Das setzt politischen Willen voraus und vor allem einen Bürgermeister, der um die Notwendigkeit des Klimaschutzes und der Anpassung weiß.
Doris Friemelt