Chronik des Ortsvereins

Geschichte der Sozialdemokratie in Grefrath und Oedt

(Es besteht kein Anspruch auf wissenschaftliche Exaktheit; einige Ausdrücke wurden zugunsten besserer lesbarkeit dem modernen Sprachgebrauch angepaßt, einige Wörter konnten vom Übersetzer nicht genau entziffert werden. Doch insgesamt wurde versucht, eng am Originaltext zu bleiben. – bs- ) 

Als im Jahre 1871 nach dem Deutsch-Französischen Kriege der deutsche Reichstag ins Leben trat, August Bebel und Wilhelm Liebknecht im Reichstag einzogen und Ihre volkstümlichen Reden hielten, da waren auch schon in Grefrath Männer vorhanden, welche der Ideologie dieser Arbeiterführer folgten.

  

Paul Mey

Als erster von Grefraths Bürgern, der die epochmachende neue Idee sich zu eigen machte, war ein Ein Bauer aus Hübeck mit Namen Mey Paul.

Er gründete einen Diskutierklub mit seinem Freunde Weggen Heinrich auf der Umstraße (Neustr.?). Dort kamen jeden Sonntag, wenn die Gläubigen zum Hochamt waren, etliche Gleichgesinnte zusammen und diskutierten über die Idee des Sozialismus. Von dort aus wurde auch die Propaganda bei Neuwahlen betrieben. Die Männer von Grefrath, die sich schon damals in den Dienst des Sozialismus stellten, als noch das Ausnahmegesetz waltete und es noch sehr gefährlich war, Sozialist zu sein, sollen der Nachwelt hier erhalten bleiben. Es waren: Paul Mey, Heinrich Weggen, Johann Pasch, Johann Jansen und Ludwig Holtsteger. Dann waren auch einige, welche die junge Bewegung materiell unterstützten, weil es damals noch keine feste Organisation gab.  Auch diese sollen der Nachwelt erhalten bleiben. Es waren: Fritz Wolters, Konrad Huppertz, Jakob Wolters Bahnstr., Helmes Willmen Haspel und Hegger Gebr. (Lamb.- ert- ) Die Seele der Bewegung in den Jahren von 1871-1900 waren Paul Mey und sein intimster Freund in Grefrath … Heinrich Weggen.  

Geschichte 1878

Die am 1. Oktober 1876 erschienene Parteizeitung Vorwärts musste schon wieder am 26. Oktober 1878 sein Erscheinen einstellen und erschien wieder 28. September 1879 illegal in Zürich unter dem Titel Der Sozialdemokrat.

Als das Ausnahmegesetz tobte und in Deutschland alle sozialistischen Zeitungen verboten waren, gab der rote Postmeister Julius Motteler
in Zürich in der Schweiz die Zeitung Der Sozialdemokrat heraus und schmugelte die Zeitung durch die illegale Rote Feldpost über die Grenzen und so über ganz Deutschland verteilt.

„Der Sozialdemokrat“ 1879

Geschichte 1878

Die am 1. Oktober 1876 erschienene Parteizeitung Vorwärts musste schon wieder am 26. Oktober 1878 sein Erscheinen einstellen und erschien wieder 28. September 1879 illegal in Zürich unter dem Titel Der Sozialdemokrat.
Als das Ausnahmegesetz tobte und in Deutschland alle sozialistischen Zeitungen verboten waren, gab der rote Postmeister Julius Motteler
in Zürich in der Schweiz die Zeitung Der Sozialdemokrat heraus und schmugelte die Zeitung durch die illegale Rote Feldpost über die Grenzen und so über ganz Deutschland verteilt.
Wer erwischt wurde, kam ins Gefängnis oder wurde als Agitator des Landes verwiesen.
Diese Zeitung kam nun auch vielfach über Holland nach Grefrath. Bei Paul Mey wurde dieselbe untergebracht und von Genossen aus Crefeld abgeholt.
Conferenzen mußten geheim gehalten werden und (es) waren dieselben vielfach beim Bauer Paul Mey, weil dort die Häscher nicht so leicht Lunte rochen.

„Vorwärts“ Erstausgabe 1. Oktober 1876

Textilarbeiterbewegung ( 1890 )

In den 1990er Jahren des vorigen Jahrhunderts (1890) setzte dann die Textilarbeiterbewegung ein. Der erste Wirt, welcher damals seine Lokalitäten zur Verfügung stellte, war Reinhard Wolters Rosenstraße. Es war eine schwere Aufgabe. Polizeibüttel und Pfaffen wetteiferten miteinander, die Bewegung totzukriegen, die Industriellen nicht zu vergessen, welche den sogenannten Roten der Arbeit und Verdienst jagten, oder solange kujonierten, daß sie es meistens vorzogen den Heimatsort zu verlassen, weil sie hier am Hungertuch nagen mußten. Von der Kanzel tobte man gegen den gottverlassenen Wirt, welcher es gewagt hat, die dreimal verfluchten Roten in sein Lokal aufzunehmen. Den Arbeitern von Grefrath, denen die Angst um Brot und Verdienst ins Gebein geschlagen war, hielten, wie auch heute noch, so schlecht zusammen, daß ihr Wirt, den sie doch unterstützen mußten, im Stich gelassen wurde, und somit auch das Lokal verloren ging. Als in Paris 1889 beschlossen wurde, den 1. Mai als Weltfeiertag zu feiern,

da haben auch in Grefrath 1900 die Sozialisten gefeiert. 

Lokale waren keine aufzutreiben, und so stellte Paul Mey sein Geschäft zur Verfügung. 

Der ganze Kreis Kempen war damals in Hübeck versammelt, so weit er sozialistisch war. Es dauerte aber kaum 2 Stunden, da war auch schon ein Aufgebot der ( ? ) am Platz. Wachtmeister Rolof aus Süchteln hatte die Führung. Er notierte sich einige, während die meisten der Grefrather Genossen sich verduftet hatten.

Dem Genossen Paul Mey wurde der Prozeß gemacht, aber es ließ sich nichts machen, man mußte wohl oder übel einen Freispruch fällen. Auch wurde um 1890 ein Gesangverein unter der Leitung von Franz Franken gegründet. Das Lokal war bei Stefan Gehlen zur Sonne.

Aber die Sonne verfinsterte sich, als der damalige Pastor Renen (Reuen ?) dem Wirten, welcher auch Lieferant als Metzger im Nonnenkloster zu Mülhausen war, mit dem Boykott strafte und dadurch das Lokal verlorenging.

Der Verein löste sich auf.

Gründung des Grefrather Ortsvereins der SPD ( 1900 )

Im Jahre 1900 kamen nun einige junge Genossen zusammen und gründeten eine feste Organisation der S.P.D., welche seitdem bis auf den heutigen Tag besteht. Es waren vorher immer ab und zu Marken verkauft und vernichtet worden. Von nun an aber wurden wöchentlich 5 Pfg. geklebt und Mitgliedsbücher geführt.

Bei den damaligen Wahlen, wo nur zum Reichstage gewählt wurde, hatten wir 70-100 Stimmen, welche bis kurz vor dem Kriege auf 200 stiegen.

Es war dieses: Jac. Heythausen, Robert Mey, Heinrich Braßels, Rudolf Dohr, Johann Wiemes, Ludwig Aretz, Rudolf Mey, Johann Heymanns, Johann Jansen, Math. Braßels und andere.

Die Flugblattverteilung geschah meistens des Nachts und ( die Flugblätter ) wurden unter die Türen gesteckt.

Die Flugblattverteiler wären totsicher aufs Pflaster geflogen, wenn man sie erwischt hätte. Der Pfaffe predigte von der Kanzel von lichtscheuem Gesindel welches sich bei Tag nicht sehen lassen dürfe. In Grefrath war man noch sehr tolerant. In den westlichen Nachbarorten Kaldenkirchen, Schaag, Waldniel, da wurden vielfach Flugblattverteiler von Pfaffen und deren Anhang mit Mistgabeln und Dreschflegeln in Empfang genommen und nach allen Regeln der Kunst verhauen. Einem St. Töniser Genossen namens von der Meulen schlug man einen Arm entzwei.  Aber trotz alledem marschierte auch in diesen Negerdörfern die Bewegung unaufhaltsam vorwärts.

Gründung des Arbeitergesangvereins (1910)

Um das Jahr 1910 wurde wieder ein Arbeitergesangverein gegründet und als Dirigent ein Grefrather namens Johann Dammer gewonnen. Dieser Verein, zuerst unter dem Namen Vorwärts, nachher freie Sängervereinigung, besteht heute noch.

Die Gründer dieses Vereins waren: Robert Mey jr., Johann Janßen, Johann Heymanns, Adam Haan, Johann Dammer, Rudolf Dammer, Adolf Mühlen, Wilhelm Fenten, Wilhelm Jacobs, Jacob Dückers und Georg Mey.

Dieser Verein, in welchem fast alle in der S.P.D. organisiert waren, ist die eigentliche Seele der sozialistischen Bewegung der Gegenwart – soweit die Bewegung der Sozialdemokratie vor dem Kriege.

1. Weltkrieg (1914 – 1918)

1914 am 2. August brach das große Völkermorden los, viele Parteigenossen mußten in den Krieg und mancher von ihnen sah die Heimat niemals wieder. Es waren dieses: Rudolf Dammer, Jacob Dückers, Adolf Mühlen. Während des Krieges lag das Parteileben völlig brach.

Nach dem Zusammenbruch am 18. November 1918:

Die SPD setzte dann in ganz Deutschland die sozialistische Bewegung ein. Alles sah auf die S.P.D. als Erlöserin aus herausführen, diesem schrecklichen Wirrnis.

Aber auch die S.P.D. doch es mangelt konnte aus dem bis aufs Blut ausgemergelten Deutschland nicht im einem Schlage ein Paradies konstruieren. Zudem hatte das Volk bei den Wahlen zur Nationalversammlung ihnen nicht die erforderliche Mehrheit gegeben, um nach sozialistischen Ideen zu regieren. Sie mußte notgedrungen mit dem Zentrum und Demokraten eine Koalition eingehen und mit diesen die Weimarer Verfassung ins Leben rufen. Es wurden dadurch viele enttäuscht und es bildete sich eine neue Partei, die Kommunistische Partei Deutschlands.

1. Gemeinderatswahl (1919)

Am 14. Dezember 1919 wählte die S.P.D. zum ersten Mal zu den Gemeinderatswahlen und erhielten 743 Stimmen mit 6 Kandidaten von insgesamt 2101 Stimmen und 18 Kandidaten.

Am 4. Mai 1924 830 Stimmen von 2338 Stimmen und auch 6 Kandidaten von 18. Am 17. November 1929 traten 2 neue Parteien zur Gemeinderatswahl auf den Plan, und zwar die K.P.D. und die Bürgergemeinschaft. Wir verloren dadurch ein Mandat und brachten es auf 685 Stimmen, das Zentrum 1023, Bürgergemeinschft 644, Kommunisten 49 Stimmen. Die Kandidaten der S.P.D. im ersten Gemeindeparlament waren: Johann Heymanns, Johann Jansen, Johann Pasch, Math. Küsters, Franz Leyendeckers und Robert Mey.

Im Jahre 1923 setzte mit aller Gewalt die Inflation ein, so daß eine Goldmark eine Billion Papiermark ausmachte. So kamen, um das Unheil vollzumachen, neben der Okkupation Inflation und zuguterletzt die Seperatisten. Der Bürgermeister Holl wurde verhaftet und wanderte ins Exil. Ihm folgte der erste Sekretär Anton Reyven.

Der erste und zweite Beigeordnete Wilhelm Berger Commerzienrat und D. Schnalenbach legten fluchtartig ihre Ämter nieder. Sie waren nämlich noch Reste der Vorkriegszeit und beantworteten die Aufforderung der S.P.D. ihre Beigeordnetenposten zu räumen, mit einem kategorischen Nein; nur die Belgier und die Seperatisten brachten den Rücktritt zustande. 

Nun war die Gemeinde verwaist, bis eines Tages ein Mitglied des Kreisausschusses namens Herzfeld- (Herrfeld ?- (der Landrat war nämlich auch ausgewiesen) den Gemeinderat zusammenrief. Es war ihm aber fast unmöglich, den ersten Beigeordneten zu bekommen, weil das Zentrum als stärkste Partei nicht zu bewegen war. Sie hatten es plötzlich mit der Angst zu tun. Die sonst Anspruch auf beide Beigeordneten machten, versagten in dieser Situation vollständig. 

Nach stundenlangem Hin und Her rief Ihnen Johann Jansen von der S.P.D. zu, ob sie einen von der S.P.D. borgen wollten, diesselbe wäre nämlich auch in dieser schwierigen Zeit nicht zu feige, den ersten Beigeordneten zu übernehmen. Das saß, so daß sich jetzt der Hauptlehrer Reipen aus Vinkrath, nachdem er vorher des öfteren abgelehnt hatte, zur Annahme bereit erklärte. Aber zweiter Beigeordneter wurde dann der Genosse Johann Heymanns, mit Spitznamen „der Schuster“ gewählt, welcher auch sofort die Wahl annahm. So hat dann Johann Heymannns 5 Jahre lang die Bürgermeistergeschäfte in der Hauptsache ausgeführt, da der Lehrer Reipen in seiner Funktion als Schullehrer meistens unabkömmlich war.

Im Juli 1929 starb Johann Heymanns an der Proletarierkrankheit und wurde erster Genosse von Grefrath freireligiös und wird auf dem Gemeindefriedhof beerdigt. Die Beerdigung gestaltete sich als eine Kundgebung der Grefrather Bevölkerung. Wohl 500 Menschen gaben ihm das letzte Geleit.

Bei der letzten Wahl am 17. November 1929 erhielt die S.P.D. der wieder den zweiten Beigeordneten. es wurden gewählt:

I. Beigeordneter Conrektor Rindemann Zentrum

II. Beigeordneter Robert Mey S.P.D.

III. Beigeordneter (Dr. ?) Billich Bürgerblock.

1930 bis zur Wiedergründung 1945

Die Weltwirtschaftskrise ab 1929 führte auch in Grefrath und Oedt zu hoher Arbeitslosigkeit, und damit verbunden zu extremen sozialen Problemen. Dies wurde durch die Politik des der Zentrumspartei angehörenden Reichskanzlers Brüning noch verstärkt, der durch rigorose Kürzungen im Reichsetat, u.a. in den Bereichen Soziales und Arbeit, versuchte, die Staatsfinanzen zu stabilisieren. Was er erreichte war etwas anderes: Armut und Verzweiflung trieben viele Menschen extremen Parteien in die Arme, insbesondere der NSDAP.

In der Altgemeinde bemühte sich der der SPD angehörende Beigeordnete Robert Mey im Rahmen des Möglichen, die Situation von Menschen zu verbessern; das Mögliche war aber sehr wenig. Sein Wirken wurde vom Bürgermeister Dr. Alfons Daniel noch weiter eingegrenzt.

Dr. Daniel, Mitglied der Zentrumspartei des Reichkanzlers Brüning, war seit dem 24.10.1927 im Amt, das er bis 1946 ausüben sollte Am 1. Mai 1933 wurde er mit der Mitgliedsnummer 2315485 Mitglied der NSDAP. Im Begutachtungsbogen der NSDAP-Kreisleitung vom 13.04.1935 heißt es zu ihm: ,,Unter Berücksichtigung der Darstellung seines Charakters ist zu bemerken, daß er Anfang 1933 aus der Zentrumspartei austrat und am 1.5. desselben Jahres seinen Beitritt zur NSDAP erklärte. Er ist bemüht, deren gestellten Ansprüchen bzw. Anforderungen nach besten Kräften zu entsprechen und die Gemeinde im nationalsozialistischen Sinne zu leiten.“ Zu diesen Ansprüchen und Anforderungen gehörten auch die Verfolgung von Sozialdemokraten und die Beteiligung an der Deportation und damit i.d.R. Ermordung von Juden.

Mit der Machtübertragung auf Hitler am 30. Januar 1933 begann die staatliche Verfolgung der demokratischen Sozialisten. Bis zum Parteiverbot am 22. Juni 1933 befand sich die Partei in der Halbillegalität. Auf Gemeinde- und Kreisebene wurden die Namen und Adressen führender demokratischer Sozialisten gesammelt, um sie zum passenden Zeitpunkt verhaften zu können. Den Gemeinde- und Kreistagsmitgliedern wurden die Mandate entzogen.

Die SPD hatte bei der Kommunalwahl im März 1933 4 Sitze in Grefrath errungen: Matthias Bernhards, Robert Mey, Franz Schmitz und Jakob Heithausen, und 2 in Oedt: Matthias Weyers und Heinrich Inderelst.

Alle Verhafteten kamen in einen Flügel des Gefängnisses in Anrath, der in der NS-Zeit das für den gesamten linken Niederrhein zuständige Konzentrationslager war.

Der sozialdemokratische Widerstand kämpfte um die Menschenrechte.

In diesem Zusammenhang hat Willy Brandt als eine wesentliche Lehre formuliert:

,,Und Freiheit als etwas begreifen, was es – für andere mit – immer neu zu erringen gilt„.

Nach dem Verbot bestand die Partei weiter. Nicht als Organisation, sondern als Solidargemeinschaft der (ehemaligen) aktiven Parteimitglieder. Sie trafen sich, sie führten politische Diskussionen. Diese Solidargemeinschaft war ein Ergebnis der bisherigen Parteigeschichte, überdauerte die NS-Zeit, war die Basis für die Wiedergründung 1945 und beinhaltete viele Aspekte, die in das Grundgesetz mündeten.

Wie Otto Wels bei der Ablehnung des Ermächtigungsgesetzes gesagt hatte: Grundsätze der Menschlichkeit und der Gerechtigkeit, der Freiheit und des Sozialismus.
Auf der Grundlage der Solidargemeinschaft konnte aktiver Widerstand entstehen.

Eine Reihe von Sozialdemokraten war in die Organisation des Exilvorstandes in Prag einbezogen, die den Niederrhein, Köln, Düsseldorf und das Ruhrgebiet umfaßte. U.a. über Venlo wurden Zeitungen und anderes Material eingeschmuggelt, auf dem umgekehrten Weg Informationen z.B. über die Nazis, die in den ,,Deutschland-Berichten“ verwertet wurden. Dabei fand eine enge Zusammenarbeit mit der Internationalen Transportarbeiter-Föderation statt, u. a. Materialtransport über die Bahnstrecke Venlo-Kaldenkirchen-Krefeld.

1935 rollte die Gestapo die gesamte Organisation auf. Sozialdemokraten aus einer Reihe von Gemeinden des damaligen Kreises Kempen-Krefeld mußten nach oft brutalen Verhören für Jahre in Zuchthäuser. Dies hatte z.T. verheerende soziale Folgen für ihre Familien. Nach dem Attentat auf Hitler wurden bekannte Sozialdemokraten verhaftet.

SPD-Mitglieder aus dem Gebiet der heutigen Gemeinde Grefrath, deren Verfolgung nachgewiesen ist:

  • B., Karl. Oedt
  • Bernhards, Matthias. Grefrath
  • Heithausen, Jakob. Grefrath
  • K., Franz. Oedt
  • Weyers, Matthias. Oedt

Mit der Befreiung des heutigen Kreises Ende Februar / Anfang März 1945 durch US-amerikanische Truppen lebte die SPD organisatorisch sehr schnell wieder auf. Denn auch wenn die SPD ab Juni 1933 verboten war, viele Mitglieder verfolgt, geächtet, gefoltert, in Gefängnisse und KZ verschleppt und ermordet wurden: Das sozialdemokratische Milieu, das es seit der Jahrhundertwende auch im heutigen Kreis Viersen gab, existierte weiter.

Die Partei als Organisation war verboten und existierte vordergründig nicht mehr. Tatsächlich überdauerte die SPD die Zeit der nationalsozialistischen Gewalt- und Unrechtsherrschaft durch ihre aufrechten Mitglieder, die eine Solidargemeinschaft bildeten, sich im privaten Kreis trafen und ihre Kontakte pflegten.

Dieses sozialdemokratische Milieu war im durchaus medizinischen Wortsinn verstehbar gegen die NS-ldeologie resistent. Und von dieser Resistenz gab es einen fließenden Übergang zum Widerstand im Sinne von als gegen das NS-System gerichtete aktive Handlungen. Im deutsch-niederländischen Grenzbereich waren dies insbesondere Entgegennahme und Transport illegaler SPD-Schriften und die Sammlung von Informationen, die über die Grenze weitergegeben vom SPD-Exilvorstand in den Deutschland-Berichten verarbeitet wurden.

Die sozialdemokratische Solidargemeinschaft war ein Ergebnis der bisherigen Parteigeschichte, überdauerte die NS-Zeit,

war Basis für die Wiedergründung 1945 und beinhaltete viele Aspekte, die in das Grundgesetz mündeten.

Im Gegensatz zu den anderen Parteien kam es bei der SPD bereits im März 1945 zumindest in einigen Orten des Kreises zur Reorganisation, d.h. zur Reaktivierung und Wiedergründung von Ortsvereinen. Da Parteien offiziell erst ab September 1945 wieder zugelassen waren, hatten die Treffen zunächst einen informellen Charakter.

Bereits vor der offiziellen Zulassung als Partei wirkten Sozialdemokraten in den von der britischen Militärregierung geschaffenen kommunalen Beiräten an der Versorgung der Bevölkerung und dem Wiederaufbau mit.

Nach der Zulassung von Parteien reichte auch die SPD Vorschlagslisten für die von der Militärregierung zu ernennenden Gemeinderäte ein, deren erste Sitzungen im Dezember 1945 stattfanden. Im selben Monat fand die erste Sitzung der ebenfalls von der Militärregierung ernannten Kreistagsmitglieder statt.

Sozialdemokraten der ersten Stunde in Grefath waren: Matthias Bernhards in Grefrath und Matthias Weyers.

Ergänzung zur SPD Historie für den Ortsteil Oedt

     von Franz KordsmeyerWann genau die SPD in Oedt gegründet wurde, ist leider nicht bekannt. Belegt ist aber, dass kurz vor der Reichstagswahl 1877 für den Kandidaten der Sozialdemokraten in Dülken, Lobberich und Oedt zusammen 60 Stimmen abgegeben wurden. Aus einer Meldung des Oedter Bürgermeisters im Jahre 1890 geht hervor, dass, obwohl nichts von einer sozialdemokratischen Agitation bemerkt wurde, die SPD 121 Stimmen gegenüber 82 bei der Wahl im Jahre 1887 erringen konnte. Der 1. Oktober 1890 war das Ende des Sozialistengesetzes! In einem Bericht danach heißt es: „In Oedt hat die gute Presse derart gearbeitet, dass wir dort kein Lokal mehr erhalten.  Bei unserer letzten Versammlung konnten wir beobachten, wie der Überwachende Bleistift und Mundwerk gespitzt hatte. Wir ahnten, was kam, und richtig, beim Gutenachtgruß sagte uns der Wirt das Lokal auf, und nächsten Tages stand in der Zentrumspresse alles zu lesen, worüber in der Versammlung verhandelt worden – und noch etwas hinzugelogen dabei.“  1894 wurden vom Oedter Bürgermeister sozialdemokratische Militärpflichtige an den Landrat und von diesem an die Militärbehörde gemeldet.

Bei einer Wahl 1898 erzielten die Sozialdemokraten in Oedt 163 Stimmen. 1907 gab es in Oedt 9 Mitglieder des Sozialdemokratischen Vereins, und der sozialdemokratisch orientierten Gewerkschaft gehörten bereits 104 Mitglieder an.

Einer Aktennotiz des Oedter Bürgermeisters vom Juni 1904 ist folgendes zu entnehmen:

„Gemäß dem Beschluss des Remscheider Parteitages ist das Vertrauensmännergremium aufgehoben und besteht jetzt ein Kreiskomitee. Der Vorstand besteht aus drei Genossen und hat seinen Sitz vorläufig in Oedt. Sämtliche Zuschriften und Sendungen sind zu richten an den Genossen Johann Cleven Oedt Marktplatz 15.“

Man kann also getrost davon ausgehen, dass die SPD in Oedt zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Jahre bestanden hat, denn schon 1892 wird ein Clemens- August Hupperts, Fabrikarbeiter aus Oedt als Verteiler von Flugblättern in St. Hubert genannt, der evtl. identisch zu sein scheint mit dem Leiter der sozialdemokratische Wahlvereins 1906/07, hier jedoch Kuppertz, Seidenweber genannt.   An anderer Stelle ist als örtlicher Leiter des sozialdemokratischen Wahlvereins 1905/06 ein Herbert Pasch, Oedt aufgeführt. Wie eng damals die Verbindung Gewerkschaft und sozialdemokratische Wahlverein waren, bezeugen 1906 die Brüder Heinrich und Johann Buschhüter, sowie Jakob Dückers aus Oedt, die auch Mitglieder des Deutschen Textilarbeiterverbandes waren. Heinrich B. ist Vorsitzender, Johann B. und Jakob Dückers sind Vorstandsmitglieder. Heinrich B. war auch Delegierter für die Generalversammlung des Verbandes 1908 in Leipzig (für Lobberich). Alle drei zogen 1908 aus Oedt fort.   

Quelle:  Norbert Pies „Hetzer wohnen hier verhältnismäßig wenige“
Die Aktualisierung durch Franz Kordsmeyer wurde duch den Autor Norbert Pies genehmigt (12.02.1996)