Klimaanpassungsmaßnahmen

17. 08. 2022
Warum sind Klimaanpassungsmaßnahmen wichtig?
Die mittlere Temperatur der bodennahen Luft erwärmt sich in Deutschland seit Beginn der Wetteraufzeichnungen deutlich.
Aber die Temperaturen steigen nicht nur, auch das Tempo des Temperaturanstiegs nimmt zu. Wir merken von dem durchschnittlichen Anstieg direkt nicht so sehr viel, aber spüren ihn massiv an den Symptomen und werden es deshalb vermehrt mit den Auswirkungen zu tun bekommen.
Selbst wenn wir das angestrebte Ziel des Pariser Klimaabkommens erreichen würden, würde die Erwärmung nicht gleich gestoppt. Wir müssen uns also auf diese Folgen einstellen und versuchen, mit Maßnahmen die Folgeschäden zu minimieren.
Der beste Schutz ist die Verminderung der Emissionen, die aber nicht so schnell wirksam werden.

Die Auswirkungen der Erderwärmung werden wir massiv spüren.

Wir bekommen mehr heiße Tage mit über 30 Grad und eine steigende Dauer und Intensität von Hitzeperioden,
mehr Starkregenereignisse mit Überschwemmungen,
häufigere langanhaltende Trockenperioden,
ein Absinken des Grundwasserspiegels durch Verdunstung und vermehrte Wasserentnahme,
eine Verschiebung der Klimazonen und Veränderung der Verbreitungsgebiete von Pflanzen und Tieren,
eine Veränderung der Vegetationszeiten,
die Zunahme der Waldbrandgefahr,
wärmere Gewässer,
eine Gefährdung der Artenvielfalt.
Auch Wind und Sturm können intensiver auftreten.


Die Folgeschäden, die auftreten können, werden uns alle treffen.
Mensch und Natur leiden an den vermehrt auftretenden Hitzetagen und -nächten. Es wird mehr hitzebedingte Klinikeinweisungen und auch mehr Hitzetote geben.
Im Flachland führt Starkregen am häufigsten zu Kanalrückstau und überfüllter Kanalisation, wenn örtlich noch eine zu geringe Leistungsfähigkeit der Kanalisation und ein zu hoher Versiegelungsgrad dazukommen. Die dadurch eintretenden Überflutungen verursachen Schäden an Gebäuden und Mobiliar mit nicht unerheblichen Kosten.
Die Dürre wird sichtbar in Gärten, an Straßenbäumen, in Parks und auf den Feldern.
Wir werden zukünftig mit Wasserknappheit zu tun bekommen. Auch wenn die Grefrather Trinkwasserversorgung momentan gut ist, wird die Entnahme von Wasser für Bewässerung in Landwirtschaft, Unternehmen und Privatgärten durch Abpumpen nicht beliebig verfügbar bleiben. Man sollte damit rechnen, dass in absehbarer Zukunft kleinräumige Versorgungseinheiten entfallen könnten zugunsten überregionaler Wasserdargebote, um eine gerechte Verteilung zu ermöglichen. Wir werden mit Wassersparmaßnahmen konfrontiert, die mit wirtschaftlichen Schäden bei der Energieerzeugung, in der Industrie und in der Landwirtschaft einhergehen. Bei letzterer kommt es zu Ernteausfällen, was unsere Ernährung gefährdet.
Die Veränderung der Vegetationszeiten kann zu Frostschäden beim Obstanbau führen.
Geht die Artenvielfalt verloren, weil Tiere und Pflanzen dem Klimawandel nicht gewachsen sind, geraten die Ökosysteme, die unsere Lebensgrundlage bilden, durcheinander, nehmen Schaden und infolgedessen die Menschen auch.


Wir brauchen Anpassungsmaßnahmen, um die Schäden so gering wie möglich zu halten.
In NRW gibt es seit letztem Jahr das Klimaanpassungsgesetz. Das sieht die Kommunen in der Pflicht, dass sie eine Vorbildfunktion bei der Klimaanpassung erfüllen und der kommunalen Daseinsvorsorge nachkommen sollen. (§5)
Grundsätzlich braucht man für die Identifikation von Stellen im Ort, wo Bedarf zu Maßnahmen besteht, Daten. Ich gehe davon aus, dass das versprochene Klimaanpassungskonzept des Kreises genaue Daten liefert.
Man erhält auch Daten z.B. beim
Landesamt für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz (LANUV),
Fachinformationssystem Klimaanpassung NRW (FIS),
beim Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) und im
Klimaatlas.
Das FIS stellt u.a. Daten zur Verfügung zu hitzeangepasster Quartiersplanung,
auf einem Dürremonitor, zur Grundwasserneubildung und verweist auf die Starkregenhinweiskarte des BKG.
Auf der Karte zur hitzeangepassten Quartiersplanung kann man Informationen über Nutzung der Fläche, Art der Bebauung und den Grünanteil erhalten. In einem Textteil ist der Grad der Versiegelung eingetragen.
In Grefrath ist der überwiegende Teil landwirtschaftliche Nutzfläche. Man sieht keine Wasserfläche, wenig städtisches Grün, im Norden ein wenig Wald. Im Zentrum ist bei einer Bebauung von mittlerer Dichte und wenig Grünanteil der Versiegelungsgrad sehr hoch (über 90%).
Der Dürremonitor vom 08.08.2022 zeigt bei pflanzenverfügbarem Wasser bis 25cm Tiefe Welke an, überall im Gesamtboden extreme Dürre und in Oedt östlich der Durchgangsstraße im Süden sogar außergewöhnliche Dürre.
Die Starkregenhinweiskarte für NRW des Bundesamtes für Kartographie und Geodäsie vom 01.07.2022 zeigt seltene (100jährige) und extreme Starkregenereignisse (hN= 90mm/qm/h) an.
Bei einem extremen Starkregenereignis muss man z.B. in der gesamten Finkenstraße in Oedt, wo wir 2021 eine ganze Reihe vollgelaufene Keller hatten, mit einer Wasserhöhe von 10-50 cm rechnen. Die topographische Karte zeigt ein Gefälle von 1m von der Süchtelner Straße und von der Amselstraße her in die Finkenstraße hinein bis an deren Ende. Besonders schlimm könnte es östlich der Straße Am Kollergraben werden, wo bei extremem Starkregen eine wesentlich höhere Wassermenge erreicht werden kann. Im Dreieck Burgweg, Stadionstraße und Hermann-Lenßen-Straße könnten Stellen mit 1m – 2m betroffen sein.
Auffallend sind die Fließgeschwindigkeiten, die sich vom Hübecker Weg in Richtung Innenbereich erstrecken, mit über 2m/s am Beginn und dann mit 0,5-2m/s durch die ganze Umstraße und auch durch die Hohe Straße bis zum Berger Platz und weiter in die Stadionstraße und Hermann-Lenßen-Straße hinein mit 0,5-2m/s. Für diese Bereiche in Grefrath ist, wie die topographische Karte zeigt, ein Gefälle von den Süchtelner Höhen (88m) bis ins Zentrum (36m) verantwortlich. An den genannten Stellen ist neben dem Gefälle ein hoher Versiegelungsgrad verstärkend.
Anmerkung: kommunale Karten wären zur Ermittlung der Bedarfe noch zielgenauer!
Zur Grundwasserneubildung zählt Sickerwasser. Das ist Regenwasser, das nicht abfließt und nicht verdunstet. Wieviel sich bildet hängt neben dem Niederschlag von der Verdunstung, von der Landnutzung und der Art des Untergrunds ab. Ermittlungen vom Forschungszentrum Jülich
geben mittlere jährliche Werte aus dem Zeitraum von 1971- 2000 an und dann die Abweichungen für die Jahre bis 2040, 2070, 2100.
Bis zum Ende des Jahrhunderts muss mit einer Abnahme gerechnet werden.
Nach Simulationen des Wasserhaushaltmodells GROWA wird insbesondere im niederrheinischen Tiefland bis zum Ende des Jahrhunderts mit einem starken Rückgang der Grundwasserneubildung zu rechnen sein. Das kommt vor allem durch zu wenig Niederschlag, höhere Verdunstung und wegen zunehmender Hitze auch durch zu viel Wasserentnahme. Die Tendenz ist real, aber nicht zuverlässig gesichert.


Welche Maßnahmen gibt es? Ein Überblick über eine Auswahl:
Sie betreffen verschiedene Handlungsfelder wie den Wasserhauhalt, Bauwesen, Gesundheit, Landwirtschaft und wirken gegen Starkregen (S), Dürre (D), Hitze (H) oder mehreres zusammen.
Einzelne Maßnahmen sind:
S Schutz von Gebäuden vor Starkregen mit Rückstauventilen, Flutschotts, Dammystemen
S Regenrückhalteflächen
S Versickerungsmöglichkeiten mit Mulden oder Rigolen
S Abkopplung von Straßen von der Mischwassereinleitung durch Speicherbecken und Versickerungsflächen
D Steuerung und Reduzierung der Wasserentnahme
S D Umstellung von Regenwasserableitung auf Regenwasserbewirtschaftung
S H bauliche Maßnahmen an Gebäuden wie Dach- und Fassadenbegrünung, …
S H Erhaltung und Neuschaffung von Grünstrukturen, z.B. Begrünung von Straßenzügen
S H Schutz entsiegelter Flächen und Bodenentsiegelung, offene Pflasterungen
H Frisch- und Kaltluftschneisen durch Freiflächen oder Gebäudeachsenausrichtung
Am besten sind Kopplungen von Maßnahmen, so dass Synergien genutzt werden, um Effekte zur Minderung von Starkregen, Hitze und Dürre zu erreichen.


Auf der Seite des Umweltministeriums NRW findet man beim Netzwerk Klimaanpassung & Unternehmen unter Angebote Best-Practice-Beispiele. Die sind anschaulich dargestellt und verdeutlichen gut, worum es geht:

  1. Da gibt es beispielsweise eine no-regret-Maßnahme zur Regenwasserabkopplung. No-regret-Maßnahmen sind kostengünstig und auch ohne die erwarteten Folgen durch den Klimawandel von Nutzen. Beim Beispiel wird auf einer großen Fläche des Firmengeländes Ludzay in Bottrop Regenwasser in einem Feuerlöschteich gesammelt, dessen Wasser dann durch solarbetriebene Pumpen auf ein 2000 qm großes Beet geleitet wird und dort verdunsten kann. Dadurch bleibt der naturnahe Wasserkreislauf erhalten, und es wird dabei gegen Starkregen, Hitze und für Biodiversität gleichermaßen etwas getan.
  2. Beim 2. Beispiel ist die Maßnahme am Jobcenter Altmarkt in Oberhausen beschrieben. Auf dem Dach befindet sich ein Gewächshaus von 1000 qm, vertikal wird Wein und Hopfen wachsen. Bewässert wird mit Regenwasser. Überschüssiges Wasser wird in vier Tanks und einem Filtertank gespeichert. Bei Bedarf wird es in
    Trockenzeiten zur Bewässerung eingesetzt. Toilettenwasser wird aus Grauwasser der Handwaschbecken verwendet.
  3. Das 3. Beispiel betrifft das Kreisarchiv in Viersen auf dem Randsberg. Das ist ein „blau-grünes“ Gebäude mit einer großen Vegetationsfläche, einem Teich und begrünten
    Dachflächen, das nach dem Ansatz zirkulärer Wertschöpfung (Cradle-to-Cradle) gebaute wurde.
  4. Man kann auch einfach eine bepflanzte Klimawand mit eingebautem Insektenhotel aufstellen.
    Wir sollten nicht erst dann über Anpassungsbedarfe nachdenken, wenn extreme Wetterlagen uns zwingen, kurzfristige Maßnahmen zu ergreifen, sondern langfristig denken, planen und handeln. Sinnvoll sind Maßnahmen besonders dann, wenn sie in Vorhaben integriert werden, die ohnehin durchgeführt werden müssen.
    Man muss schauen, was bei uns an Anpassungsmaßnahmen nötig ist, wo Bedarfe festzustellen sind, welche Maßnahmen wie wirksam sind, was machbar ist und welche Kosten aufgewendet werden müssen.
    Was man jetzt schon diskutieren sollte:
    Hinsichtlich der Wasserknappheit in langen Trockenperioden empfiehlt sich schon jetzt, auch ohne die Ideen aus dem Konzept des Kreises verstärkt eine Regenwasserbewirtschaftung in Angriff zu nehmen, d.h. gezielt Maßnahmen zu ergreifen, um anfallendes Regenwasser zur Bewässerung wiederzuverwenden. Dabei können grün-blau-graue Infrastrukturen, bestehend aus Dach- und Fassadenbegrünung, Wasserrückhalteflächen, Regenwasserspielplätzen und Grünanlagen für Entlastung bei Starkregen und zur Verschattung und Verdunstungskühle gegen Hitze sorgen. Solche Vernetzungseffekte schonen die Trinkwasserversorgung.
    Hinsichtlich der Starkregenereignisse wird die Wiederkehrwahrscheinlichkeit für Rückstau aus der Kanalisation bei 3 Jahren angenommen. Die Vergrößerung der Abflusskapazitäten gegen Starkregen aus öffentlicher Hand ist aber zu teuer. Deshalb sind No-Regret-Maßnahmen gegen Starkregen in jedem Fall sehr zu empfehlen. Das sind kostengünstige Maßnahmen zur Vorsorge, deren Nutzen auch dann gegeben ist, selbst wenn die Folgen in dem Maße gar nicht eintreten. Dazu zählen eben die Maßnahmen zur grün-blau-grauen Infrastruktur. Es ist vor allem die grüne Infrastruktur, insbesondere auch mit mehr Straßenbäumen, die dem Klimaschutz, der Klimafolgenanpassung und der Biodiversität dienen und in zukünftigen Zeiten mit mehr Hitze für eine angenehmere Aufenthaltsqualität auf Straßen und Plätzen sorgen. Man erhält damit Durchlüftung, Kühlung, Wasserspeicherung, CO2-Speicherung und für Fauna und Flora die Möglichkeit sich fortzuentwickeln. Ebenso spielen Entsiegelungen eine zentrale Rolle, was in Hinblick auf Hitze und Starkregenereignisse zu bedenken ist. Was die Wirksamkeit anbelangt, haben Grünflächen, Versickerungen und Entsiegelungen einen hohen Effekt bei Gesundheit und Klimafolgen.
    Aber auch die Unterstützung der Hauseigentümer durch Information und Beratung ist wichtig.
    Wer berät?
    Brauchbare Einrichtungen sind z.B.:
    das Deutsche Institut für Urbanistik (difu),
    das Zentrum für KlimaAnpassung
    und die Uni Potsdam