Klimaschutz und Klimaanpassung gehören ins Alltagsgeschäft der Verwaltung

29. 09. 2022

Bundesumweltministerin Steffi Lemke stellte am 12.09.2022 in der Auftaktrede zur „Woche der Klimaanpassung“ fest: „Wir sind deutschlandweit bisher noch nicht genügend vorbereitet auf die Folgen der Klimakrise.“
Wie weit sind wir in Grefrath auf diese Folgen vorbereitet?
Seit dem Inkrafttreten des Klimaanpassungsgesetzes NRW vom 15.07.2021 sind die Folgen des Klimawandels in kommunalen Beschlüssen zu berücksichtigen. Kommunen sollten „ihre spezifische Verletzlichkeit (Vulnerabilität) gegenüber Klimafolgen abschätzen oder untersuchen lassen, die zu erwartenden Klimaänderungen frühzeitig in alle relevanten Entscheidungen der Kommune integrieren und geeignete Anpassungsmaßnahmen Schritt für Schritt umsetzen.“ (https://difu.de › publikationen › klimaanpassungs-chec..)
Das ist in einem Klimaanpassungscheck möglich. Dieser ist mit der Prüfung der Relevanz von Auswirkungen des Klimawandels auf Gebäude, Plätze, Stadtgrün, Wirtschaft und die Gesundheit sowie der Integration von Anpassungsmaßnahmen in die Vorhaben ein Teil der Klimavorsorge. Die Berücksichtigung der Klimaanpassung mit einer Dokumentation in den Vorlagen wurde in Grefrath am 17.02.2022 im Ausschuss für Umwelt, Klima und Mobilität (UKM) beschlossen. Danach sollen die Auswirkungen auf den Klimaschutz und die Auswirkungen auf die Klimaanpassung in den dafür relevanten Vorlagen kurz und anschaulich aufgezeigt werden. „Dieses Verfahren soll eine 2-jährige Pilotphase durchlaufen mit einer anschließenden Überprüfung des Verfahrens.“ (Vorlage 86/2022) Dieser Beschluss wurde am 03.03.2022 im Haupt- und Finanzausschuss durch die Aussage, dass er unmittelbar Anwendung findet, ergänzt und beschlossen. (Vorlage 24/2022) In der Vorlage zum Beschluss des Um- und Anbaus des Rathauses am 18.08.2022 ist eine solche Dokumentation erfolgt.

Damit auch alle weiteren relevanten Vorlagen zukünftig mit Erläuterungen zu Klimaschutz und Klimaanpassung versehen werden und damit zeigen, dass Klimaanpassungsmaßnahmen in Angriff genommen worden sind, ist eine Verbesserung der bisherigen Handhabung des Prüfverfahrens bzw. eine Implementierung notwendig. Es geht dabei vor allem um die Frühzeitigkeit der Integration von Klimaanpassungsmaßnahmen in die Vorhaben, deren Bewertung und deren transparente Dokumentation in den Vorlagen, auch bei Vorlagen, die auf den ersten Blick nicht von Relevanz scheinen, weil es beispielsweise erst einmal um den Aufstellungsbeschluss geht oder zum Beispiel um die Erweiterung eines Baus, der überplanmäßige Ausgaben erforderlich macht, die beschlossen werden müssen. Selbst wenn dann beispielsweise „nur“ finanzielle Nachbesserungen beschlossen werden sollen, sind für die Entscheider immer die Erläuterungen zu Klimaschutz und Klimaanpassung sehr wichtig.

Hierfür ist die Orientierungshilfe des Deutschen Instituts für Urbanistik (DIFU s.o.) wirklich eine Hilfe. Darin heißt es: „Die Berücksichtigung der Belange der Klimaanpassung soll bei Entscheidungsprozessen so früh wie möglich erfolgen. Ziel ist es dabei, negative Auswirkungen bereits im Ansatz zu erkennen und zu unterbinden oder wenn es nicht möglich ist, negative Effekte zu vermindern. Zudem sollen Elemente, die der Klimaanpassung dienlich sind, von Anfang an integriert werden.“ Das DIFU spricht sich auch für eine transparente Dokumentation aus, so dass Außenstehende die Abwägungsproblematik verstehen.
Der „Klimaanpassungscheck“ betrifft vor allem Entscheidungen in der Bauleitplanung, bei Änderung der Flächennutzung, der Rahmensetzung für Gebäude, öffentlichen Raum und Stadtgrün. Je nach Lage und Art der zu bebauenden Fläche können die Auswirkungen von Hitze, Dürre, Starkregen unterschiedlich groß sein. Bei frühzeitiger Planung kann eine Minderung negativer Folgen optimiert werden. Natürlich gibt es auch Planungen, die sich positiv auswirken, und auch dabei ist eine frühzeitige Bewertung bei der politischen Entscheidungsfindung hilfreich.

Grundlage dafür, ob eine Betroffenheit von Gefahr durch Hitze, Dürre oder Starkregen vorliegt und wie sie zu bewerten ist, sind Daten, die in einem integrierten Klimaanpassungskonzept erarbeitet werden können. Unabhängig davon, ob ein solches Anpassungskonzept auch in Grefrath bald beschlossen wird, ist eine Bewertung von Klimaanpassung auch jetzt schon möglich. Es gibt Verfahren dazu, beispielsweise eine Klimawirksamkeitsprüfung, mit der eine qualitative Bewertung erfolgen kann. Eine solche Prüfung führt zum Beispiel die Gemeinde Engelskirchen durch. Der Ort ist eine kreisangehörige Gemeinde im Oberbergischen Kreis mit ca. 19000 Einwohnern. (https://bit.ly/3GpbQOc)
Die Fachkommission Umwelt und Umweltausschuss des Deutschen Städtetages empfiehlt dazu ein zweistufiges Verfahren mit einer Voreinschätzung (Stufe 1) und einer späteren genauen Prüfung (Stufe 2), falls erforderlich.

Die gegenwärtige Lage in der Klimakrise zwingt uns zu schnellerer Anpassung. Beim heutigen Stand der Erderwärmung von 1,2° sind die Folgen schon jetzt gravierend. Sie könnten noch viel schlimmer werden, wenn wir es nicht schaffen, unsere Emissionen drastisch zu senken.
Bis 2030 werden für die Erderwärmung 1,8° prognostiziert, wenn wir die verabredeten Ziele umsetzen würden. Aber dabei hapert es erheblich.
Wir haben daher im Moment den „sicheren“ Klimazustand verlassen. Das ist das Ergebnis einer Studie, an der auch das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) beteiligt war. Beim heutigen Stand könnten schon Kippelemente ausgelöst werden, die eine Kettenreaktion mit unumkehrbaren Folgen nach sich ziehen. Dazu gehören das Schmelzen des Grönländischen und Westantarktischen Eisschildes, das Auftauen des Yedoma Permafrosts, die tropischen Korallenriffe und die Atlantische thermohaline Zirkulation. Besonders letztere hat Auswirkungen auf die Erwärmung in Europa. Und die Eisschmelze könnte sogar bei Nichterhöhung der Erwärmung eintreten mit katastrophalen Folgen (Armstrong, McKay, Lenton).

Am 06.09.2022 hat Umweltminister Krischer in einer Pressemitteilung wissen lassen, dass er zur Umsetzung des Klimaanpassungsgesetzes den Kommunen ein Werkzeug in die Hand gibt, um Anpassungsmaßnahmen zu identifizieren und zu integrieren. Gemeint ist die oben erwähnte Orientierungshilfe des DIFU. Problematisch ist, dass es bei dem Gesetz, was die Kommunen anbelangt, an Rechtsverbindlichkeit mangelt. Krischer hat aber angekündigt, das Gesetz weiterzuentwickeln. Wenig hilfreich ist meiner Ansicht nach auch, dass es bei den in der Orientierungshilfe angeführten Prämissen „Frühzeitigkeit“ und „Nachvollziehbarkeit“ im Ermessen der Kommunen liegen soll, wie sie diese durchführen. Auch da wären klarere Vorgaben angebracht.

Fazit
Was wir brauchen, ist ein frühzeitiges Mitdenken der Folgen des Klimawandels und von Anpassung bei allen klimarelevanten Entscheidungen, die in der Grefrather Politik anliegen. Damit verhindern wir vor allem menschliches Leid, aber auch kostenintensive Beseitigung von Schäden. Deshalb ist die frühzeitige Prüfung von Klimaschutz und Klimaanpassung bei allen klimarelevanten Vorhaben und deren Dokumentation von Anfang an mindestens mit einer Voreinschätzung ein MUSS. Diese Bewertungen bilden für die politisch Verantwortlichen die Grundlage, gute Entscheidungen auch unter dem Aspekt der Klimaanpassung zu treffen. Jedenfalls darf es bei klimarelevanten Sitzungsvorlagen unter dem Punkt Auswirkungen, insbesondere bei Vorlagen, die die Bauleitplanung betreffen, „keine Auswirkungen auf Klimaschutz/Klimaanpassung“ in Zukunft in Grefrath nicht mehr geben.
Doris Friemelt